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"Heuer fahren wir ans Meer", verlautbarte mein Vater nach dem Abendessen. "Das Meer ist riesengroß." Ich war sechs Jahre alt und in die Kategorie "riesengroß" fiel für mich allenfalls der Mammutbaum, den ich von Abbildungen in der Beilage des Mickymaus-Heftes kannte. Unzählige Kinder mussten einander an den Händen fassen, um seinen Stamm zu umspannen.
Auf dem Foto war der Himmel durch die Baumkrone kaum zu erkennen. "Eine riesengroße Wasserfläche", ergänzte mein Vater. In meinem Kopf entstand das Bild eines gefällten Mammutbaumes, der im Wasser lag. "Das Ende des Meeres sieht man nicht", sagte meine Mutter. Selbst der Mammutbaum hatte ein Ende, das wusste ich.
Im Kopf eines sechsjährigen Jungen ist das Meer unvorstellbar groß. So groß wie seine Sehsucht, es zu sehen. Jahr für Jahr nimmt er mit seiner Familie einen neuen Anlauf, immer kommt etwas dazwischen: ein gebrochener Knöchel der Mutter, ein neuer Fernseher, der das Urlaubsbudget aufbraucht, die Scheidung der Eltern, seine erste große Liebe. Die Sehnsucht allerdings wird nicht kleiner. Erst als aus dem Kind ein junger Mann geworden ist, besteigt er in seinem ersten Urlaub einen Zug Richtung Süden - und sieht seinen Traum bestätigt: Das Meer ist riesengroß!
Inge Fasan erzählt in einem Text, der durch Einfachheit und Rhythmus geprägt ist, über Stationen einer Kindheit und Jugend, lakonisch, tiefgründig und so bildhaft, dass es eigentlich keine Bilder bräuchte. So sind denn auch die Illustrationen von Linda Wolfsgruber sehr viel mehr als bloß die Verdoppelung einer fast intimen Rückschau. Es sind bestechend schöne Traumbilder, manchmal der freien Malerei ganz nahe, dann wieder sehr illustrativ. Sie erzählen eigene Geschichten. Selten hat man nur Blautöne in einem Buch gesehen, und nie zuvor so viele unterschiedliche. Ein Sehnsuchtsbuch ist hier zu einem blauen Wunder geworden.
Die Autorin
Inge Fasan, geb. 1967 in Niederösterreich, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte. Danach vorwiegend organisatorisch im Kulturbereich tätig (u.a. Theater, Kindertheater, Festivalorganisation), aber auch als Regieassistentin und Dramaturgin. Wechsel ins Verlagswesen, arbeitet als Lektorin und (Co-)Autorin.
Die Illustratorin
Linda Wolfsgruber, 1961 in Bruneck/Südtirol geboren, besuchte die Kunstschule in St. Ulrich - Gröden und die Scuola del Libro in Urbino. Sie lebt in Wien und arbeitet seit vielen Jahren als Illustratorin.
Preise & Auszeichnungen
- Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2008 (Jugendbuch)
- Die besten 7 Bücher für junge Leser (DeutschlandRadio/Focus) Mai 2007
Bibliothek der Provinz, 2006, 42 S.
20,00 Euro
Lesestufe: ab 10 Jahre
Hardcover, m. zahlr. farb. Illustrationen
ISBN: 978-3-85252-765-9
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